„In Walle Sayers Gedichten begegnen wir einer Welt, die noch in ihrer Erdenschwere etwas Lichtes und Schwebendes besitzt, und die für Augenblicke von allem Werkeln und Machen erlöst ist. Mitten am hellichten Tag darf sie von sich selbst ausruhen und zu einem Stillstand gelangen, bei dem uns nur die leise Frage umtreibt, ob nicht viel mehr die Dinge uns als wir die Dinge ansehen.“
Karl Heinz Ott über Walle Sayers Miniaturen
Wir freuen uns, daß Walle Sayer uns einige seiner herrlichen Texte zum Lesen zur Verfügung gestellt hat. Die „Lesung“ also ist nun Ihnen überlassen, lieber Leser!
Seine Bücher findet man > HIER
Und > HIER kann man ihn erleben in „Lesenswert“ mit Denis Scheck
Prosagedichte von Walle Sayer
STEHBLUES
Klangwellen, auf denen ein Floß treibt mit Schiffbrüchigen. Das Klammer-äffchen der Umarmungen. Die Flügelspannweite zweier Blicke. Ein Sektglas nur noch hin zum Leichtsinn. Der Brunnenrand, das Prinzenquaken. Obgleich nach dem ersten Kuß jeder Mund aussähe dann: wie ein aufgebrochenes Siegel. So nah wie möglich, so möglichkeitsnah. Einen Marienkäfer auf der Wange. Eine Schneeflocke auf der Stirn.
NACH DEM EISREGEN
Ausharren, im am Straßenrand abgestellten Auto, bis der Streuwagen kommt, sein rotierendes Gelblicht von fern, währenddessen im Wunschkonzert: die Morgenstimmung einer Suite dich längst hinführt zu einer Waldeslichtung, Stangenbohnen emporgewachsen sind an einem Wanderstab, selbst Hände, die Geldscheine bündelten, ein Wundmal berühren dürfen, eine Romanze sich anbahnt zwischen Cellistin und Pianist, durch eine leere Aussegnungshalle ein Schmetterling flöge.
KLEINE AUFRECHNUNG
Seine Schnäpschen, ihre Schnäppchen
Ihr Beleidigttun, seine Ehrenkäsigkeit.
Seine Kegelbrüder, ihre Betschwestern.
Ihr umsomehr, sein nichtsdestotrotz.
Sein Werkstattdunkel, ihr Nähzimmerlicht.
Ihr Vertrödeln, seine Schrittmeditation.
Sein Taubenschlag, ihr Hühnerstall.
Ihr Teelöffelmaß, seine Wasserwaage.