Heute sehen wir zur Eröffnung der neunten Literaturwoche Donau Der Singende Tresen in Aktion mit Erich Mühsam. Manja Präkels und Markus Liske stellen diesen herausragenden Autor, der 1934 von den Nazis bestialisch ermordet wurde, seit vielen Jahren durch herausgeberische, aber eben auch durch musikalisch-darstellerische Weise vor.

Warum gerade der Anarchist Erich Mühsam? Wie aktuell ist Mühsams Werk heute?

Manja Präkels: „Mühsams umfangreichstes Werk – seine Tagebücher –  wird erst seit ein paar Jahren peu à peu veröffentlicht, ebenfalls im Verbrecher Verlag, herausgegeben von Chris Hirte und Conrad Piens. An seinem Leidensweg und schließlich dem seiner Gefährtin Zenzl werden die ideologischen Verheerungen des 20. Jahrhunderts gut sichtbar. Mühsam, der Dichter, Revolutionär und Bohemien, war ein Antiautoritärer par excellence. Mit seinen Gedichten und Tagebuchaufzeichnungen hat er mich schon in meiner Jugend abgeholt und nicht mehr losgelassen. Er war wie Medizin für mein gebrochenes Pionierherz und eröffnete eine Welt jenseits der Bevormundung. Die Mauer war gefallen. Systeme brachen. Ich bin ziemlich streng erzogen worden, war verdruckst und eingeschüchtert. Woran sol31lte ich noch glauben, nun, wo alles nichts mehr zählte? Etwas an den Ideen hatte doch gestimmt, oder? Da steht dann Mühsam und erklärt: Klar. Die Welt muss radikal verändert werden, so elend, wie ein Großteil der Menschheit zu leben und sterben gezwungen ist. Es kann eigentlich nur besser werden! Los, fang an. Da vorn am Horizont warten großartige Zukünfte einer Gesellschaft der Vielen, die solidarisch mit- und nicht gegeneinander leben. Die Sache hat nur einen Haken: Dafür musst du alles geben. So würde ich mein persönliches Mühsam-Update heute formulieren. Sicher war er in manchen Fragen Kind seiner Zeit. Und doch reichte sein Blick weit darüber hinaus. Auch dass er meist zwischen allen Stühlen saß, nimmt mich sehr für ihn ein. Ein Ort der besten Übersicht!“

Manja Präkels, 1974 in Zehdenick/Mark geboren, ist Sängerin der hochgelobten Band »Der singende Tresen« und Autorin des Lyrikbandes »Tresenlieder«. Sie ist Mitherausgeberin der erzählerischen Anthologie »Kaltland – Eine Sammlung«, eines Klassikers der Nachwende-Literatur.

Für den Verbrecher Verlag stellte sie mit Markus Liske das Erich-Mühsam-Lesebuch »Das seid ihr Hunde wert!« (2014) sowie den Band »Vorsicht Volk! Oder: Bewegungen im Wahn?« (2015) zusammen. Präkels erhielt für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste (2005) und das Aufenthaltsstipendium im Writers House Ventspils, Lettland (2012/13).

Manja Präkels wurde für ihren Debütroman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ mit dem Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium 2018 und dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 ausgezeichnet.

Zudem erhält sie für diesen Roman den Anna-Seghers-Preis 2018.

Siehe auch: gedankenmanufaktur.net