Hier können Sie nachlesen, was die Veranstalter und die Gäste unserer Literaturwoche(n) beobachtet haben:

Literaturwoche Donau 2016

Literaturwoche:
Auf dem sechsten Kontinent der Literatur 

Leider interessierte sich die lokale Presse nicht für die faszinierende Züricher Verlegerpersönlichkeit Ricco Bilgers und ließ sich auch die Gelegenheit entgehen, seinen herausragenden Autoren Roger Monnerat kennen zu lernen. So entging ihnen ein spannender Abend mit eine Verleger, der aus Leidenschaft und enormem Wissen agiert und der Bücher u. a. von Patti Smith, Kaspar Schnetzler, Hernán Ronsino und Jeremy Reed verlegt.
Das Blog „Faselloch“ stellt Ricco Bilger vor – für alle, die nicht dabei sein konnten.
>> Weiterlesen (LINK)

Literaturwoche: Verleger- und Autorenabend 

Verleger- und Autorenfest im Rahmen der Literaturwoche Donau 2016.
Ein Dienstagabend im April. Die Literaturwoche Donau mit einem Verleger- und Autorenfest zu Gast im Neu-Ulmer Kultur-Café d’Art mit seiner umtriebigen, gastfreundlichen Wirtin Heidi Völzke. Moderatorin des Abends ist Wibke Richter, für kraftvolle musikalische Momente steht das Gitarren- und Gesangsduo Roadstring Army. Rappelvoller Saal. Beste Stimmung. Im Mittelpunkt drei regionale, unabhängige Verlage. Schnell wird klar, dass die mehr zu bieten haben als provinziellen Kleingeist. Hier sind Abenteurer am Werk, die ihre Ein- und Glücksfälle am liebsten zwischen Buchdeckeln und in hochwertigen Druckwerken verwirklicht sehen.

Bei Thomas Zehenders „danube books“ ist der Name Programm. Es geht die Donau entlang Richtung Osten. Eine überfällige Grenzüberschreitung, blicken die etablierten Kulturmacher doch meist leicht halsstarrig westwärts. Ganz im diesem Sinne ist das Buch, das mir gefällt. „Skizzen aus Slawonien/Sketches of Slavonia“ mit Photographien von Damir Rajle und ergänzenden Texten in Deutsch, Englisch und Serbo-Kroatisch, setzt mit eindrucksvollen Aufnahmen aus besonderem Blickwinkel diese fruchtbare, im Osten des heutigen Kroatien gelegene Region, ins Bild.
Übrigens: Wer sich für die Geschichte der donauschwäbischen Auswanderer interessiert darf sich auf den Titel „Die zweite Heimat. Eine Familienchronik aus Südungarn“ freuen, der erstmal am 23. Juni im Donauschwäbischen Zentralmuseum präsentiert wird.
http://www.danube-books.eu/

Der Verleger der  „edition dreiklein“ ist Martin Gehring. Zusammen mit der Illustratorin Marion Hartlieb hat er das Kinderbuch „Kiki – Alles fliegt“ gestaltet, das im Juni zeitgleich in einer deutschen und einer französischen Ausgabe erscheinen wird. Hartlieb hat zudem ihr Interesse an der österreichischen Kaiserin Elisabeth, die unter dem Namen „Sissi“ populär wurde, in eine liebevolle Adaption für Kinder umgesetzt. In „Die Sisi aus Possenhofen“ malt sie sich phantasievoll und in leichten Farben das Leben der kleinen Elisabeth aus.
Martin Gehring hat als Autor mehrere Bücher veröffentlicht, darunter den satirischen Hühner-Western „El Pollo – Entscheidung in der Sierra Chica“ (erschienen im Verlag Manuela Kinzel). Er liest eine Kurzgeschichte, in der es um den Rapp-Bier-Konvoi auf württembergischen Autobahnen und einen Nutztiertransport geht. Eine humorvoll überzeichnete Erzählung mit der er das Publikum zum Schmunzeln und Lachen zwingt.
http://dreiklein.de/

Vom Ulmer Dichter Marco Kerler erschien 2015 der Lyrik-Band „Schreibgekritzel“ bei Kinzel. Seine nächste Veröffentlichung plant er derzeit mit der „edition dreiklein“. Mit der Formation „MarcoBeatz“ macht er RockPoetry, SpokenWord und Improvisation in der Region. Beim Verlegerfest stellt er Beispiele aus seinem Projekt VolksLyrik vor. Spontane Poesie im Dialog mit dem Publikum. Einer von vielen Höhepunkte des Abends dann seine Sprechgesang-Performance zusammen mit den Gitarren von Roadstring-Army. Stimmung in Siedepunkt-Nähe.
http://www.marcokerler.de/index.html

Florian L. Arnold und Rasmus Schöll sind die Hauptdrahtzieher der „Literaturwoche“. Und seit einiger Zeit auch Jungverleger. In dieser Funktion stehen sie Wibke Richter Rede und Antwort. Sehr zum Vergnügen von Jung und Nichtmehrganzjung im Saal, gerät dies zu einer äußerst pointiert-gewitzten Talkshow, deren Aufzeichnung man Produzenten einschlägiger TV-Geschwätzigkeit gerne als Lehrmaterial zur Verfügung stellen möchte. Der Verlag heißt „Topalian und Milani“. Ein Name der aus längeren hirnstürmenden Findungsprozessen hervorging und die Namen von Vorfahren in die Gegenwart rettet. (Topalian, armenischen Ursprungs, bei Arnold und Milani, aus Italien, bei Schöll.) Dass ihr kleines Unternehmen bereit ist sich jeder verlegerischen Vernunft zu widersetzen, zeigt ein Werk, dass mit Multitalent Tommi Brem realisiert wurde.
Der „Appendix Dick“ ist ein künstlerisch gestaltetes Verzeichnis aller Personen die in den Werken des amerikanischen Autors Philip K. Dick vorkommen. Fast 600 Seiten, limitierte Auflage 100 Stück, alle fein gebunden und signiert, die ersten 50 zudem handcoloriert. „Haptik. Optik. Schönheit“ sind die entscheidenden Kriterien für Bücher aus dem Hause Topalian und Milani. Ich freue mich ganz besonders auf den angekündigten Band mit zwei weniger bekannten Novellen von Stefan Zweig.
http://www.topalian-milani.de/
http://www.appendix-dick.com/

Viel Beifall zum Schluss für alle Beteiligten. Und wir Zuhörer und Zuschauer wurden nicht nur glänzend unterhalten. Wir haben auch gelernt. Regional hat nichts mit Begrenzung zu tun. Und dass es unabhängigen Verlagen gelingen kann mit Mut und Offenheit den üblichen, nur scheinbar zwangsläufigen, Markt-Mechanismen erfolgreich zu trotzen.
Bericht von Jan Haag, Blog „Con=Libri“ (LINK)

Literaturwoche: Sebastian Guggolz 

Sebastian Guggolz gründete seinen Verlag, um jene Autoren verlegen zu können, die ihm zusagen – vergessene Literaturnobelpreisträger wie Frans Emil Sillanpäa oder Heðin Brú, Michail Prischwin oder Andor Endre Gelléri. Guggolz, der Kunstgeschichte und Literaturwissenschaften studiert hatte und beim Berliner Verlag Matthes & Seitz tätig war, wagte 2013 den Weg in die verlegerische Eigenständigkeit.
Er verlegt seither AutorenInnen des 19. und 20. Jahrhunderts aus Nord- und Osteuropa, die in Vergessenheit geraten sind.
Gutgelaunt las Sebastian Guggolz aus seinen Büchern und berichtete über den märchenhaften Gewinn in der Sendung „Quiz-Champion“, der es ihm ermöglichte, ohne finanziellen Druck seine verlegerische Vision umzusetzen. Ein anregender und geistreicher Gast, den Geld und Karriere nie interessierten, der immer nur eines wollte (und es erreicht zu haben scheint): so arbeiten zu können, wie es ihm gefällt.

Literaturwoche: Deborah Feldman in Ulm 

Zur Literaturwoche Donau sitzt in der Buchhandlung Jastram eine junge Frau, die schon zu viel erlebt hat, in ihrem Leben, um noch so jung sein zu können. Mit einem Lächeln sagt sie, dass sie keine Schönheit sei,  und beginnt ihre Geschichte zu erzählen; die Flucht aus einer radikalen, jüdischen Sekte in New York, Williamsburg, die von verzweifelten Überlebenden des Holocausts gegründet wurde.
Feldman spricht sehr gut deutsch, wohnt mittlerweile in Berlin, wo sie ihren Verleger Christian Ruzicska (Secession Verlag) kennenlernte, der das Buch ins Deutsche übersetzte. Er ist heute ebenfalls anwesend und liest Auszüge aus dem Roman.
Ich bin hin und weg von der Geschichte und von Deborah. Als der Abend zu Ende ist, brauche ich mehrere Zigaretten, um meinen Kopf wieder klar zu bekommen.
Es ist eine ergreifende, traurige, positiv stimmende, mit viel Liebe erzählte Lebensgeschichte, die erst jetzt langsam ihr Happy End findet – durch ein Buch: „Unorthodox“.
Mit einem Buch fing auch Deborahs Flucht aus Williamsburg an und in die Literatur – und das sollten sie lesen!
Gastbeitrag von Marco Kerler, Ulm

Literaturwoche Ulm … wird „Literaturwoche Donau“
„Unabhängige Literatur, unabhängige Leser“

Die nächste Literaturwoche in und um Ulm herum nimmt Formen an – und bringt ein paar Änderungen. Neben einem Förderverein, der momentan gegründet wird, öffnen wir uns für das Umland. Auch konzeptuell passen wir einiges an – was für uns bedeutet, daß wir ein wenig am Namen des “Kindes” arbeiten und aus der “Literaturwoche Ulm” die “Literaturwoche Donau” machen.
Wenn wir am 14. April 2016 in der “Venet-Haus Galerie” in Neu-Ulm mit einer Ausstellung der Buchkünstler Einar Turkowski und „Connor Brothers“ starten, wird aber eines weiterhin Fixpunkt unserer Bemühungen sein: die Präsentation der unglaublich vielfältigen und kreativen Bereiche des unabhängigen Buchmarkts!

2016 findet mit der „Literaturwoche Donau 2016“ die vierte Auflage der Veranstaltungsreihe statt.
Gemeinsam mit der „NUKunst“, der „Galerie im Venet-Haus“, dem Edwin-Scharff-Museum und der Kulturbuchhandlung Jastram sowie der Museumsgesellschaft Ulm e. V. bieten wir ehrenamtlich organisiert professionelles literaturzentriertes Programm an, das den unabhängigen Verlegern, Verlagshäusern, ihren Programmen und ihren Autoren gewidmet ist: Gute Literatur bedeutet nicht mit großen Budgets Bestseller zu produzieren. Literatur ist Erzählen, Experimentieren und Denken.
Literatur ist das, was ungeplant zwischen Autor und Publikum geschehen kann. Alle Spielarten des literarischen Schaffens erfahren wir in Lesungen und Autorengesprächen.
Dazu gibt es kleine feine Ausstellungen mit Buchkunst sowie Theater- und Kabarettabende.
Beitrag Florian L. Arnold

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Literaturwoche Ulm 2015

Zum Tex Rubinowitz-Abend am 9. Juni 2015
„Ein charismatischer Unangepasster“

Dünn, quirlig, mit lebendig blitzenden Augen und erstaunlicher Gestik gesegnet ist dieser Tex Rubinowitz, 1961 geborener Wahl-Wiener und Sieger des renommierten Bachmannpreises 2014 in Klagenfurt. Zur Literaturwoche Ulm 2015 hatte sich Initiator Florian L. Arnold diesen Autor und Zeichner als Eröffnungsgast gewünscht.

Ein Wunsch, der nun in der Museumsgesellschaft Ulm in Erfüllung ging. Wortreich, mit voluminöser Gestik und eindrucksvoller Mimik, hielt es den Mann nicht auf dem bereitgestellten Stuhl – um sich in dem von Neugierigen überfüllten Saal der Museumsgesellschaft Gehör zu verschaffen, stieg Rubinowitz auf einen Stuhl – und blieb fast den ganzen Abend über dort. Er ließ keinen Platz für Eröffnungszeremonien, Formalitäten, Konventionen. Man kann es ihm nicht verübeln: Als Autor, Zeichner und Musiker hat schließlich seinen Ruf als Außenseiter und charismatischer Unangepasster zu verteidigen. Das ist ein Fulltime-Job mit einem Bachmann-Preis in der Tasche, 53 wechselvollen Jahren auf dem Buckel und einer ehrenden Ausstellung im Wiener Museum “Leopold”.
Beim Reden spielt Rubinowitz, der als Dirk Wesenberg in Hannover geboren wurde, mit allen Ups and Downs seiner Biografie. Mit sieben Fünfen von der Schule geflogen, vom Vater als absoluter Versager geschmäht, eine kreuzbunte Berufsvita – da braucht es die Satire, um sich von depressiven Untiefen fern zu halten.  Mit seinem eigentlichen Namen darf ihn niemand ansprechen; ihn empfindet der Autor als die Wiedergabe des Geräusches, mit dem der Körper gegessene Nahrung wieder nach außen schafft. Da ist Mutters Kosename „Sputnik“ weit besser – den aber darf wirklich nur Mama benutzen. Darum also steht auch im Ausweis „Tex“. Nur so will er angesprochen werden.

Wenn Rubinowitz auf der Bühne steht, sollte man besser auf alles gefasst sein. Aus seinen Büchern „Irma“ und „Die Sieben Plurale von Rhabarber“ las der Autor ein wenig vor. Wenig. Lieber erzählte er Schnurren und Anekdotisches rund um die Entstehung der Bücher, macht Witze und kumpelt mit den knapp 120 Gästen.
Ein paar mag es gegeben haben, denen der Abend nicht gefiel. Nach kurzer Eingewöhnung wußte das Gros der Gäste den unkonventionellen und begabten Erzähler zu schätzen, der dann fleißig Bücher signierte oder mit kleinen Zeichnungen verzierte. Beispiele seiner Begabung als Karikaturist und Cartoonist zierten die Wände der Museumsgesellschaft – zu sehen sind diese mit klarem Strich skizzierten Cartoons bis 1. Juli im Foyer der Ulmer Stadtbibliothek unter dem Titel „Wollen wir uns Nichtduzen?“
BEITRAG F. L. ARNOLD

 

Zum Abend mit der Arno-Schmidt-Stiftung
(B. Rauschenbach, S. Fischer) am 11. Juni 2015
„So wie Arno Schmidt müsste man Briefe schreiben können“

Nein, Zettel’s Traum, dieses sperrige Groß- und Spätwerk Arno Schmidts, muss man nicht gelesen haben um Gefallen an der Lektüre seiner Briefe zu finden. Literarisch sind das zwei völlig unterschiedliche Disziplinen. Im Rahmen der 3. Literaturwoche Ulm lasen am Abend des 11. Juni in der Kulturbuchhandlung Jastram, Susanne Fischer und Bernd Rauschenbach aus dem Band “Und nun auf, zum Postauto”, 2013 bei Suhrkamp erschienen, der über 150 Briefe des Dichters an Freunde und Verleger versammelt. Die beiden haben das Buch herausgegeben und es ist ein besonderes Erlebnis, wenn man die Gelegenheit hat, sie daraus lesen zu hören.
Fischer und Rauschenbach arbeiten seit vielen Jahren für die von Jan Philip Reemtsma unterstützte Arno-Schmidt-Stiftung in Bargfeld. Mit ihrer tiefen Kenntnis des Werks, der Persönlichkeit des Autors und seinem Umfeld, verstehen sie es hervorragend den Zuhörern die sprachliche Kraft, den oft wütenden Witz und die ironische Schärfe Schmidts nahe zu bringen. Es sind spannende Zeitdokumente, die viel über Schriftstellerei und Verlegerei im Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg vermitteln. Und nicht zuletzt wurde in dieser Lesung, die in eine anregende Gesprächsrunde mit den vortragenden Experten mündete, die Bedeutung und der Reiz einer traditionsreichen Literaturgattung deutlich, die vom Aussterben bedroht ist.

So wie Arno Schmidt, müsste man Briefe schreiben können, wenn man noch Briefe schriebe.

BEITRAG VON JAN HAAG / https://litos.wordpress.com
Jan Haag hat sich in seinem Blog CON=LIBRI auch der überaus interessanten Episode „Arno Schmidt und die HfG Ulm“ sehr eingehend gewidmet. HIER nachzulesen.
Der Blog CON=LIBRI bietet auch weitere Arno-Schmidt-Artikel.

 

Zum Abend mit „Münch & Sauer“ im Café Schneiderei
am 14. Juni 2015
„Kabarett vertreibt Kopfschmerz“

Ohne große Erwartung und mit Kopfschmerzen ging ich über das Roxygelände Richtung Schneiderei, wartete draußen, rauchte, sprach mit Leuten, bis jemand meinte, daß die Veranstaltung beginnen würde. „Hanna Münch und Heike Sauer – Kabarett, das sie hoffentlich nicht mit Comedy verwechseln werden,“ dachte ich mir und begab mich in den Veranstaltungsraum.
Weil es gar nicht mehr anders ging, musste ich hinten Platz nehmen. Das Café „Schneiderei“ war wirklich gut besucht. Dann kamen auch schon Münch und Sauer auf die Bühne und lieferten ein Mashup an Sozialkritik ab, das meine Kopfschmerzen verschwinden ließ: Als smarte Verkäuferinnen priesen sie im Laufe des Programms den neuen Social-Lifestyle an, in dem selbst der Toaster mehr über einen wissen würde als Google, gefolgt von Werbung für von Kindern gefertigte Mode aus Bangladesch, Produkten für die „moderne Hausfrau“, wie z.B. einer Matte, um leise abspülen zu können und „Agent Genmais“, der uns TTIP schmackhaft machen will.
Während der Vorstellung hatte ich mir noch etwas mehr Sarkasmus gewünscht, doch selbst dieser Wunsch wurde erfüllt, als sie zum Schluß, mit Knalleffekt, die Welt des Wachstums zum Platzen brachten. Ein Happy End eben!

BEITRAG VON MARCO KERLER / http://www.marcokerler.de/

 

Zum Abend mit Stefan Weidle, Jörg Sundermeier und Markus Hablizel im Botanischen Garten Ulm
… die schönste Prosa, die ich jemals herausgeben durfte“ 

5 Uhr morgens.
Noch ein paar Stunden Schlaf nach einem Literaturabend, der nachwirkt. Müdigkeit will nach so einem Abend einfach nicht eintreten.

Stefan Weidle (Weidleverlag) und Jörg Sundermeier (Verbrecherverlag) sprachen im Botanischen Garten über ihre Arbeit. Über Bücher, die man machen muß, selbst wenn alle wirtschaftlichen Aspekte dagegensprechen. Über das Entsetzen, das einen befällt, wenn Bücher als „Profit Center“ etikettiert werden. Sie sprachen über ihre Arbeit in der „Kurt-Wolff-Stiftung“, die sich für unabhängige Verlage und Buchhandlungen einsetzt. Sie sprachen über TTIP und wie dieses Konstrukt das Ende der Buchlandschaft inklusive aller etablierten Buchhandelsstrukturen aufzulösen droht.
Aber vor allem sprachen sie über Bücher. Schöne Bücher. Bücher, die man gemacht haben muß. Etwa das grandiose Buch „Donner über dem Meer“ von Heinrich Hauser, das Stefan Weidle als „tatsächlich die schönste Prosa, die ich jemals herausgeben durfte“ bezeichnet.

Er las einen kleinen Auszug aus dem Buch, eine nach Erde, Salz, Nässe riechende Verlockung in ein Irland im Dauerregen. Da ist ein Schriftsteller mit sich allein, muß allein sein, um einen Roman zu vollenden, der sich ihm verweigert. Dieser handelt von einem Mann und einer Frau, die sich in nächtlicher Großstadt begegnen. Er nimmt sie mit auf sein Zimmer, doch bevor er etwas über sie erfahren kann, muss er den Notarzt holen. Zugleich kämpft der Schriftsteller mit dem Land. Und fährt wütend aus der Haut, weil er ein sterbendes Schaf nicht am Leben erhalten kann. Ein wortmächtiger, poetischer, emotional packender Roman, fragmentiert, in eindrückliche Szenen eines vagabundierenden Lebens in Irland verpacktes Statement.
Es geht nicht darum, einen Roman zu schreiben. Es geht um die Gestalt der Welt, wie wir sie durch die Sprache erschaffen.
Stefan Weidle empfindet einen solchen Respekt vor dem Autor, daß er gerne eine ungewöhnliche Aufgabe übernahm: Er ist Erbe der Grabstelle Hausers und kümmert sich um deren Erhaltung: „Als es darum ging, daß das Grab in Dießen am Ammersee aufgelöst werden sollte, sträubte sich in mir alles. Also habe ich das Grab übernommen um es zu erhalten“.

Jörg Sundermeier las unter anderem aus dem Buch „Das Leseleben“ des 1927 geborenen Georgiers Giwi Margwelaschwili. Eine editorische Glanzleistung: Jedes der 1500 Exemplare dieses Buches ist einzigartig. In jedem sind die Texte und Illustra­tionen in neuer Reihenfolge miteinander kombiniert. Jedes Unikat ist fortlaufend nummeriert. Denn es geht um die Frage, wie die fiktionale Welt eines Buches entsteht. Wer führt das Leseleben? Der Lesende? Die Buchfigur – die auch ohne den Leser existiert und sich entwickelt. Oder am Ende gar die Buchstaben, etwa das „O“, das von zwei „T“s erdrückt wird?
Sundermeier sprach ebenfalls über Georg Kreisler. Der Verbrecherverlag publizierte das einzige Bändchen mit Lyrik des Wiener Satirikers. Interessante Fußnote: „Er hat verboten, daß aus diesen Versen Vertonungen gemacht werden. Er selbst wollte die Gedichte auch nicht vertonen“, erklärt Sundermeier. Kreisler war 83, als er seinen ersten Gedichtband mit Sundermeier vorstellte.

Zuletzt betrat als Gast der Verleger und Publizist Markus Hablizel die Bühne. Mit seinem Hablizel-Verlag setzt er fort, was Weidle und Sundermeier seit vielen Jahren verlegerisch umsetzen: Die Idee eines inhabergeführten Verlages, der von einer vertrauensvollen und langfristigen Zusammenarbeit von Autor und Verlag lebt. So entstehen richtig gute Bücher.

19:30 Uhr.
Der Abend beginnt.
45 Gäste im Gewächshaus des Botanischen Gartens, die noch nicht wissen, daß sie zweieinhalb Stunden lang gebannt an den Lippen der Verleger hängen werden.

BEITRAG VON FLORIAN L. ARNOLD / Literaturwoche Ulm

 

Was ist Hablizel?

Trüffelschwein
am Skunk
der Buchseiten
drüber stolpern
es selbst machen
Überzeugung Tat
am Spiegel vorbei
Venus siegt
auf der Couch
geringe Reichweite
sein
Unwesen treiben
und drucken
Verlagsprogramm
ohne Struktur
klingt phantastisch
zu sein
etwas besser
als die Freiheit

relativ
unterschiedlich
dieses Buch
sollte man
nicht rechnen
wer lesen kann
und Druckkosten
hin und Druckkosten
her wer weiß
vom Geld
in der Matratze
Morelli
verschwindet

aus dieser Struktur
und wär ich
nicht pleite
hät ich welches
dabei
so wär ich
jetzt pleite
und hätte
ein Buch
so eben geschenkt
von Herzblut
und Spucke
des
Hablizel
Verlags
Haus der Halluzi
nationen

BEITRAG VON MARCO KERLER / http://www.marcokerler.de/

 

Zum Abend mit Michael Watzka und Bernd Breitenbruch
über Johann Martin Miller
„Liederton & Triller“

Michael Watzka stellte in der Stadtbibliothek Ulm sein herausgegebenes Buch mit sämtlichen Gedichten des Ulmer Barocklyrikers Johann Martin Miller vor. Im 200. Todesjahr (2014) Millers versammelt dieser Band erstmals sämtliche Gedichte des Ulmer Lyrikers. Er folgt der 1783 erschienenen Ausgabe letzter Hand. Die einfachen Strophen handeln von Schäferinnen und Verliebten, einsamen Tälern und Abendmonden – und herzzerreißender Freundschaft. Sie sind in all ihrer Eigenheit und Merkwürdigkeit Dokument jener Jahre zwischen 1772 und 1775, in denen eine kleine Gruppe von Studenten und Klopstock- Jüngern an der Göttinger Universität die Geburtsstunde der empfindsamen Lyrik feierte – und dabei Spuren hinterließ, die bis in die Werke der Klassiker und Romantiker hineinreichen. Ihr Ton und ihre Poetik, und damit auch die des produktiven “Nonnenlieddichters” Miller, klingen noch in den Werken Goethes, Mörikes und der Gebrüder Grimm nach.
Watzka stand der ehemalige Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der Bibibliothek, Bernd Breitenbruch, zur Seite, der seinerseits eine Biografie über den Autoren verfasst hat.
Es ging somit nicht über Millers Lyrik, sondern auch um seine vielfachen Vertonungen. Zum Beispiel wurde sein Gedicht “Zufriedenheit” u.a. von Mozart und Beethoven in Noten gesetzt. Diese Lieder bekamen wir dann auch live mit einem Sänger des Ulmer Theaters zu hören. Dass Millers Roman “Siegwart” fast Goethes “Werther” den Rang abgelaufen hat, dass es mehrere Auflagen und unzählige Raubdrucke davon gab, ist heute genauso vergessen, wie dass er sich als Münsterpfarrer sehr unwohl fühlte und Ulm als ein kulturelles Gefängnis empfunden hat. Dank der Literaturwoche und dieser Veranstaltung, kam dies wieder ans Tageslicht und ein Stück Kultur mehr in die Stadt.
GASTBEITRAG VON S. WILTSCHEK / Literaturwoche Ulm

Zum Abend „LiteraLotto Spezial“ im Café ANIMO in Ulm
„Blätterrauschen rund um Ulm“

So. Es ist vollbracht. Mein erster “öffentlicher” Auftritt als Literaturbloggerin. Eingebettet war das in den schönen Rahmen des LiteraLotto: Da dreht sich alles ganz spielerisch und sehr unterhaltsam um Bücher, die Literatur und das Lesen. Und das Beste dabei: Die Zuhörer bleiben nicht nur Zuhörer, sondern werden selbst aktiv und zu Literaten – unter anderem entstand an diesem Abend ein witziges, spontanes Gedicht und es wird jeweils gemeinsam am unendlichen Roman weitergeschrieben.
Zwischen diesen Elementen, die auf Improtheater, Collagenlyrik und Literarischem Quartett aufbauen, stellen die Gäste auf dem Podium sich selber und eine Auswahl an Büchern vor. Erstmals führten Florian L. Arnold und Rasmus Schöll (von der tollen Kulturbuchhandlung Jastram) durch den Abend mit drei Gästen: Auf dem Podium waren Markus Hablizel vom Hablizel Verlag – einer, der schöne, auch optisch herausragende und auffallende Bücher aus Überzeugung und Leidenschaft macht.
Ein Blick auf die Verlagsseite ist dringend zu empfehlen: http://www.hablizel-verlag.de/buecher/.
Schön war an diesem Abend nicht nur die begeisterte Teilnahme des Publikums, das viele Lachen und die witzigen Dialoge, der spielerische Zugang zur Literatur. Sondern auch, dass er so etwas wie ein kleines, spontanes Gipfeltreffen schwäbischer Blogger war.
>> weiterlesen auf SÄTZE & SCHÄTZE

GASTBEITRAG VON BIRGIT BÖLLINGER / Literaturblog „Sätze & Schätze“

 

Zum Abend mit dem „Teatro Caprile“ im „Brett im Schtoi“
am 20. 6. 2015:
„furiose Herzmanovsky-Orlando-Revue“

Im Rahmen der „Literaturwoche Ulm 2015“ gastierte das Wiener „Teatro Caprile“ mit einer furiosen Revue der skurrilen Szenen von Fritz von Herzmanovsky-Orlando. An zwei Abenden spielte das Ensemble seine überaus gelungenen Umsetzungen der Theaterstücke, Szenen und Fragmente des Wiener Schriftstellers, der 1954 in Meran starb und zu Lebzeiten nur einen Roman veröffentlichen konnte.

Fritz von Herzmanovsky-Orlando, geboren 1877 in Wien; war nach dem Studium einige Zeit als Architekt tätig, bevor er sich ganz dem zeichnerischen und literarischen Schaffen zuwandte. 1904/05 lernte er seinen dann lebenslangen Freund Alfred Kubin kennen und fand in München Anschluss an den Kreis der „Kosmiker“ um Karl Wolfskehl, Ludwig Klages und Alfred Schuler. Herzmanovsky-Orlando arbeitete 1904/05 als angestellter, danach als selbständiger Architekt. 1911/12 gab er wegen schmerzhafter chronischer Nierentuberkulose seinen Beruf auf. Da er von Haus aus finanziell unabhängig war, lebte er von da an als Privatier für die Kunst, zeichnete, sammelte, restaurierte und schrieb.

„Tarockanien“ hieß Torberg das an Merkwürdigkeiten überreiche Atlantis Herzmanowskys – ein Parallelbegriff zu Musils „Kakanien“. Beim Autor selber hieß es „Tarokei“, nach dem in Österreich hochgeschätzten Kartenspiel. In dem Land geht die Wonne nicht unter, wohl aber Verkehrsgerät: Zum Beispiel können „bedeutende Schnellzugslinien, deren Expresse unter Pomp, Gestank und Donner von irgend einer Grenzstation abgelassen werden, im Innern dieses Landes nach kurzer Zeit spurlos versiegen, nachdem sie zuerst den Speisewagen durch irgendeinen geheimnisvollen Abschuppungsprozeß verloren haben“.
BEITRAG VON FLORIAN ARNOLD / Literaturwoche Ulm

Zum Abend mit Verleger Jörg Becken in der Griesbadgalerie Ulm
am 23. 6. 2015:
„Mission im Kopf „

Durchschnittlich, mit Brille, angegrautem Haar, scheint der Verleger, entpuppt sich als lustig, kauziger Kerl, Marke Typ und erzählt mal so salopp von der Verlagsgründung, als ob die nichts gewesen wäre. Vielleicht auch ein gewitztes Schlitzohr, der da sein Schelmenspiel zum besten gibt und es klingt eben, als ob alles ein Klacks gewesen wäre, doch dem ist nicht so. Verleger Jörg Becken hat eine Mission im Kopf und diese konnte man heute in der Griesbadgalerie hören, sehen und bestaunen.

Doch fangen wir einfach beim Verlagsnahmen an. Natürlich KLAK, das klingt nach Geräusch, doch wenn Becken dann erzählt, dass er im Vorlauf, Schröder sei Dank (Ja, da darf man Schröder auch mal danken), eine Ich-AG mit Namen „KulturLandschaft AKtiv“ gründete und er nur 1 und 1 also ein paar Buchstaben … dann klickt es plötzlich und lässt uns dem Verlagsprogramm ein Stückchen näher kommen. Sie merken, alles bei KLAK hat seine Verbindungen und so könnte man die bisher verlegten Bücher auch schlicht als Kulturlandschaften bezeichnen: In „Fabelhafte Gespräche“ von Tillman Lehnert, erfährt man all den Wahnsinn der da aufsteigt, wenn man ihr zuhört und lauscht, der Gesprächskultur in Berlin. Auszüge davon trugen die beiden Literaturwochenendgänger (letzte Veranstaltung am 26.03.) Florian L. Arnold und Rasmus Schöll vor und hey, selbst ich musste lachen!
Dann, das Buch: „Träumen in Berlin“ das von Anja Tuckermann und Guntram Weber herausgegeben wurde. Die Schreibenden darin allerdings sind nicht die üblichen Verdächtigen der Avantgarde der Avantgarde der Avantgarde, sondern Kinder und Jugendliche, die darin den Ton angeben und von ihren Träumen erzählen.
Zum ebenfalls vorgestellten Buch „Über die Tücken des Alkoholismus in Verbindung mit Kohleheizung“ genügt es mir, den Titel zu nennen und wenn Sie jetzt nicht schon angefixt wurden, vom KLAK-Verlag, dann weiß ich auch nicht oder stöbern Sie selbst!
www.klakverlag.de
Ich meine, Sie sind ja auch selbst Schuld, nicht bei der Veranstaltung gewesen zu sein…

Nun gut, kommen wir aber zu einem Programmpunkt, bei dem es Ihnen nichts oder sagen wir wenig bringt, ihn zu lesen. Die Rede ist vom musikalischen Teil und den hätten Sie hören müssen! Ayhan Coskun zauberte uns während den Gesprächspausen mit seiner Akustikgitarre in seine ganz eigenen Kulturlandschaften, die zwischen Heimat und dem Unterwegssein verankert sein dürften. Einfach großartig und wenn man ihn dann auf seine Stücke ansprach, erklärte er: „Alles improvisiert!“, sein Konzept dazu sei „Klik-Klak!“, also nur eine weitere Verbindung an diesem wunderschönen Abend.
Danke dafür!

GASTBEITRAG VON MARCO KERLER
www.marcokerler.de